Ruggeller Gemeinderat besuchte die Windkraftanlage bei Chur

Der Ruggeller Gemeinderat besuchte am Montag, den 15. Januar 2024 gemeinsam mit Cosmas Malin vom Verein LIGEN die Windkraftanlage «Calandawind» in Haldenstein bei Chur. Die Betreiber berichteten dabei unter anderem von der Projektplanung, der Bauphase und von diversen Prüfungen, die sie für die Umsetzung durchführten.

Der Haldensteiner Unternehmer Josias Gasser und Betriebsökonom Jürg Michel sind die Macher hinter der Windkraftanlage bei Chur. Es handelt sich dabei um das einzige Windrad in der Ostschweiz und ist zugleich das grösste in der Schweiz. Die beiden Partner führten bereits 1998 Windmessungen in der Nähe des effektiven Standortes durch und stellten fest, dass die Lage in der Rheinebene ideale Windverhältnisse aufweist. 2008 wurde das Projekt dann schliesslich in Angriff genommen und das Windrad als Pilotprojekt in nur sechs Jahren umgesetzt.

Durch das bereits bestehende Kieswerk direkt neben der Anlage war auch die Zufahrt sowie eine Stromtrasse vorhanden. Dies spielte der zügigen Umsetzung durchaus in die Karten. Andererseits betraten die beiden Pioniere zu dieser Zeit absolutes Neuland in Graubünden. Der Kanton verfügte damals weder über spezifisches Know-how noch über ein vorhandenes Regelwerk.

Kein Lärm

Der Ruggeller Gemeinderat interessierte sich aber natürlich auch für das «Drumherum». Schnell konnte festgestellt werden, dass sich das Windrad fast lautlos dreht – die Autobahn und das Rauschen des Rheins in unmittelbarer Nähe waren die einzigen Geräusche, die festgestellt wurden.

Oft gilt Infraschallpegel bei Windrädern als grosser Kritikpunkt. Die Initiatoren erklärten, dass dieser Infraschallpegel nicht wahrnehmbar ist und sich nicht von dem anderswo im ländlichen Raum unterscheidet. Tatsächlich beruhen diesbezügliche Aussagen vielfach auf der Fehlinformation aus einer Studie des deutschen BGR (Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe) aus dem Jahre 2005. In dieser Studie wurde der Infraschallpegel wohl korrekt gemessen, jedoch bei dessen Umrechnung ein gravierender Fehler gemacht. Durch diesen Rechenfehler wurde über einen Zeitraum von 15 Jahren um einen Faktor 4000 zu hohe Werte kommuniziert[1]. Pikant in diesem Zusammenhang ist, dass der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier erst nach mehrmaliger Abmahnung und erst nach Einspruch international anerkannten Professoren diesen Fehler offiziell korrigierte[2].  „Es tut mir sehr leid, dass falsche Zahlen über einen langen Zeitraum im Raum standen“, sagte er. Die Akzeptanz von Windanlagen an Land habe „ein Stück weit“ unter den falschen Zahlen gelitten.

Strenge Vorgaben

Die beiden Pioniere von Haldenstein haben auch von ihren weiteren Prüfungen berichtet: So war der Vorwurf von Jägern gegeben, dass das Wild vom Windrad eingeschüchtert würde. Auch diesen Vorwurf konnten sie mit einer ausführlichen Prüfung mit Kameras vollständig widerlegen. Die heimischen Wildarten hätten alle direkt neben der Anlage gegrast – unabhängig davon ob diese nun ein- oder ausgeschaltet war. Auch mit Reiterinnen und Reitern wurde das Gespräch gesucht. Sie bestätigten ebenfalls, dass es für ihre Pferde kein Problem darstellt, sich in der Nähe der Anlage zu bewegen. Sie werde von den Tieren überhaupt nicht wahrgenommen.

Für den Vogel- und Fledermausschutz müssen indes strikte Massnahmen eingehalten werden. So muss die Anlage von Haldenstein beispielsweise ausgeschaltet werden, wenn die Wolkendecke unter 800 Meter liegt. Dies, weil Zugvögel unter den Wolken fliegen und sie somit in diesem Fall tiefer fliegen als gewohnt. Auch gibt es definierte Zeiten und Windstärken, in welchen das Windrad zum Schutz von Fledermäusen komplett abgestellt wird.

Mit ausführlichen Prüfungen im Vorfeld konnten diese Massnahmen so genau ausgearbeitet und zeitlich abgestimmt werden: Mit Erfolg, bisher wurden keine toten Tiere bei der Anlage gefunden.

Schattenwurf

Die rotierenden Rotorblätter können zu einem wandernden Schatten führen. Dieser kann bei flacher Sonneneinstrahlung unter einem bestimmten Winkel zu der Windkraftanlage zu einem lokal wandernden Schatten führen. Dieses Phänomen tritt allerdings nur bei Sonnenschein und sehr flachem Sonnenlichteinfall merklich auf. Sollte dieser Schattenwurf zu nennenswerten Störungen führen, kann die Windkraftanlage so programmiert werden, dass sie zu den massgeblichen Zeiten und Bedingungen automatisch ausschaltet. Da die potenzielle Anlage in Ruggell jedoch weit ausserhalb des Dorfes geplant ist, hat der Gemeinderat in diesem Punkt keine Bedenken.

Eigene Machbarkeitsstudien

Der Gemeinderat möchte all diese und weitere Kritikpunkte und Voraussetzungen nun selbst ausführlich prüfen und entsprechende Massnahmen mitnehmen. In einem nächsten Schritt wird die Durchführung einer Machbarkeitsstudie für die potenziellen Standorte in Ruggell vorbereitet. In diesem Schritt sind ausführliche Abklärungen mit dem Amt für Umwelt, dem Amt für Hochbau und Raumplanung, Werkleitungseigentümern, aber auch mit Gemeinden der angrenzenden Windeignungsgebieten angedacht. Auch einbezogen werden Spezialisten aus verschiedenen Fachgebieten und Vereine sowie Organisationen (Ornithologen, Umweltverbände, etc.). Für die dabei entstehenden Kosten wollen die Gemeinde Ruggell und die LKW zu gleichen Teilen aufkommen.

Die vielen positiven Rückmeldungen aus der Bevölkerung motivieren den Gemeinderat, an diesem Vorhaben dranzubleiben. Gleichzeitig werden kritische Rückmeldungen sehr ernst genommen und werden in die anstehenden Prüfungen einbezogen. Ganz wichtig ist dem Gemeinderat, dass die Diskussionen faktenbasiert geführt werden, sodass weiterhin eine konstruktive Arbeit möglich ist.

Ziel der Gemeinde ist es, dass wenigstens die Energie für sämtliche öffentlichen Liegenschaften vollständig selbst erzeugt wird. Neben den Prüfungen wird gleichzeitig geklärt, wie eine attraktive Beteiligung von Einwohnerinnen und Einwohner sowie von Unternehmen möglich sein wird. Als Ergänzung zu den Photovoltaikanlagen haben Windkraftwerke den Vorteil, dass sie auch nachts und im Winter Strom erzeugen können – wenn unser Bedarf am höchsten ist. Die Gemeinde Ruggell erachtet diesen Schritt hin zu höherer Eigenversorgung als besonders wichtig und möchte damit ihren Beitrag zur Bekämpfung der Energieknappheit und Abhängigkeit leisten.

Ruggell